Peter Hoffmann


Die Schönheit der Melancholie

 

Dorothea Isers Gedichtband „lichtwege“ ist eine Aufforderung an den Leser, sich dem Leben zuzuwenden. Was oft, wie in dem Gedicht“verblüht“, mit einem Hauch von Wehmut beginnt: „meine wünsche / sind pustekinder/ schon ein leises wort / weht sie fort / deine schirme / sind finger aus wind“ das endet mit durchatmen: „/ ich werd es wagen / lass mich tragen /weiß nicht mal wohin / aber ich bin“

In Zwiesprache steht fast jedes Gedicht dieses 122 Seiten umfassenden Bandes mit einer Illustration von Kristine Ahrend, einer wie Dorothea Iser in Niegripp bei Burg lebenden Malerin.

Was war zuerst da, das Bild oder der Text? Der Leser bzw. Betrachter wird es nicht herausfinden, so sehr sind beide Teile fast immer auf dem jeweils gegenüberliegenden Seiten miteinander verschmolzen, eines scheint dem anderen noch mehr Farbe und Leben zu geben.

Dorothea Isers „lichtwege“ bestätigen, was die meisten Leser bereits in sich tragen: Die Gewissheit, dass es die kleinen Dinge sind, die Ahnungen von Zusammenhängen in uns aufkommen lassen und Entdeckerfreude wecken.

Mit der Abgabe von jahrzehntelanger Verantwortung im Kulturbeich in Sachsen-Anhalt entsteht für die Dichterin keine Leere. Diese neue Ruhe zu nutzen, um Eindrücke zu verarbeiten, zu hinterfragen, das bleibt Teil ihres Lebensinhalts. Dem Leser bereitet es Freude, Iser z.B. an einem „sonntag im mai“ zu begleiten: „der mai streut übermütig / farben in den Garten / webt am blumenteppich / fliederduft / weht mir ins haus / der sturm setzt schmale segel / in den baum / kirschgrün triumphiert / was frostnächte überlebte / unbeirrt reift der sommer“

Ein anderes Thema: Wer hat es noch nicht durchlebt, das Gefühl von bitterer Süße, welches spätestens in Zeiten der Jugend erstmals auftauchte und das im Alter mehr und mehr einem Verweilen in Erinnerungen weicht? So heißt es in „lebenswille“: „… die blätter spielen / mit den ersten strahlen / wie kinder / am sonntagmorgen / wenn die eltern ruhe brauchen …

Aber es geht auch anders. Ab und an und wohldosiert lässt Iser uns direkt auf die dunkle Seite ihrer Gedanken-, Gefühls- und Erkenntniswelt blicken: „was das leben von mir will / kann ich nicht sagen / es nicht halbherzig loben / besser ist schweigen / schweigen ist stille / lautlos versinken /in eitlen weiten / hilflos ertrinken / still ruhn die Wasser / ich fühle mich krank / niemand bemerkt / meinen Untergang“ Hier beginnen die Grenzen zwischen Melancholie und echter Schwermut zu verschwimmen. Aber gehören solche Erfahrungen nicht auch zum Leben? Ist das nicht gerade jener Teil unserer Welt, den wir besonders hinterfragen sollten.

Dieses Gedicht spiegelt einen bleibenden Eindruck in Isers Leben, die Begegnung mit dem im 16. Jahrhundert entstandenen Bild „Sturz des Ikarus“ von Pieter Brügel d. A. Ein Bauer pflügt andächtig seinen Acker, ein Angler konzentriert sich auf seine Tätigkeit, ein Schiff gleitet mit geblähten Segeln vorüber. Ein Bild, das friedlicher nicht sein könnte. Doch es entstand in politisch unruhiger Zeit. Kaum wahrnehmbar lässt der Maler im rechten unteren Bildrand Ikarus, der zu hoch hinaufstieg, ins Meer stürzen. Und niemand nimmt das überhaupt wahr. Wer der Sonne zu nahe kommt …

Ein gelungenes Buch, das den Leser vom „februarblues“ bis hin zu „lichtwegen“ führt, oder auch umgekehrt. Ein Buch voller Eindrücke und Beobachtungen mitten aus unserem Leben.


 



Dr. Ingrid Ursula Stockmann


Liebe Frau Dorothea Iser,                                               20. 12. 2021

Ihr Buch hat mich angesprochen und berührt. Selbstfindung: Wege zu finden in der Düsternis und im Licht, die „Lichtwege“. Einwände zu beachten, „im Schattenwurf des Lichts“, den „Gegenwind“, den anderen Gedanken. Das sehe ich wie: Gelten und Geltenlassen, Leben und Lebenlassen, damit die tausendfach bunte „Welt in der Balance zusammenhält“.

Auch eigene ambivalente Gefühle wollen uns etwas zeigen, vielleicht, dass wir innehalten und uns damit auseinandersetzen, bevor wir uns entscheiden.

Wenn ich auf Ihren lyrischen Wegen spazieren gehe, kommen mir die schöne Natur und ebenso Beschreibungen des Innenlebens bildlich entgegen - ich bin mittendrin, fühle mich ähnlich wie bei meinen vielen Spaziergängen und (Rad-)Wanderungen, für die ich gern Wege aussuche, die ich noch nie gegangen bin. Sich selbst und den anderen achtsam zu begegnen und die Natur respektvoll zu lieben, könnte die Welt zusammenhalten. Hoffentlich!

Die eindrucksvollen Bilder von Kristine Ahrend sowie Ihre „lyrischen Bilder und farbigen Zeilen“, (ein schönes Wortspiel), empfinde ich als zusammengehörig, wie die zwei Seiten einer Medaille.

Schön, dass ich durch Petra Taubert Ihren lyrischen Streifzug, quer durch das Leben und die Gezeiten, in die Hand bekommen habe. Mein Dank gilt somit Ihnen beiden. Das Vorwort von Frau Taubert zu Ihrem Buch ist „mehr als treffend“, dem ist nichts hinzuzufügen. Außer: natürlich die eigenen Empfindungen und aufkommenden Gedanken.

Beim Lesen „kam ich in meiner Kindheit an“, im Alter von vier Jahren, als mir mein Dasein immer bewusster und ich durch eine Predigt in der Kirche mit dem Tod konfrontiert wurde. Meine  „Westoma“ war zu Besuch und hatte mich dorthin mitgenommen. Sie bemerkte nichts von meiner Erkenntnis, die mir einen gehörigen Schreck versetzt hatte. Meine Eltern beantworteten meine Fragen nach dem Tod sehr unterschiedlich, Vater religiös und Mutter naturwissenschaftlich.

Das hat meinen Weg geprägt. Ich wollte Ärztin werden, um etwas gegen den Tod zu „erfinden“. Ärztin bin ich geworden - aber. Tatsächlich entdeckten Wissenschaftler die Alterungsgene und Telomere und arbeiten an der Genschere. Ich entdeckte etwas „Anderes“ in mir selbst und erkannte, dass ich besser zum Tod „Ja“ sage, nur nicht sobald. Aber ich sage es ungern.

(Und ich hoffe sehr, dass die „Welt“ verantwortungsvoll mit der Genforschung umgeht.)

Das ist „Lebenswille“ (S. 91). Einmal neigt sich das Leben dem Ende zu (Ahnung, S. 79).

Was will das Leben von mir und was will ich, wie zeige ich mich und mache mich bemerkbar, um nicht unterzugehen (S. 80), wie mache ich mich und meinen gefundenen Weg erkennbar (S. 54), was verlange ich von mir selbst (S.104), wie gehe ich mit mir selbst um, mache ich wirklich das, was für mich gut ist …? Fragen über Fragen, allzu menschliche Fragen.

Trotz der „Stürme“ (des Lebens) treten wieder Glücksgefühle und Wunder ein, täglich - im scheinbar banalen Alltag (S. 102). In der Kälte ist die kommende Wärme erkennbar, im Schatten das Licht.

Goethe soll auf seinem Sterbebett „Mehr Licht“ gesagt haben. Das Gehirn sorgt beim Übergang vom Leben zum Tod für die Ausschüttung von „körpereigenem Rauschgift“, um das Sterben zu erleichtern. Reanimierte Patienten beschreiben uns das als Glücksgefühle und wunderbare Lichterscheinungen. Wohin führt das Licht? Wohin geht die Energie, die sich gerade noch im Körper befand? Es gibt gewiss etwas Höheres, als die Existenz des einzelnen Menschen. Leben ist, mit der Natur zu gehen und nicht gegen die Natur:

„auf dem weg ins licht / das uns ganz aufnimmt / irgendwann“ (S. 43).

Ihre Gedichte regen mich durch Inhalt und Form zum Überlegen an. Die durchgehende Kleinschreibung und die fehlenden Satzzeichen lenken die Aufmerksamkeit auf die Gedanken in und zwischen den Zeilen, wie sie sich womöglich überschneiden, wo ein Gedanke endet und ein folgender beginnt. Das verraten uns weder Satzzeichen - noch große Buchstaben. Deshalb las ich manches Gedicht zweimal oder verweilte länger bei den Zeilen und sah noch mehr Aspekte. Das Leben und wir alle sind vielschichtig.

Kaum kann ich Menschen verstehen, die sagen: „Ich lese keine Lyrik.“ Sie sollten es versuchen, sich darauf einzulassen, denn Lyrik fördert die Empathie. Ich hörte von der Meinung, dass Empathie einer der Hauptgründe sei, im Leben nicht reich zu werden. Aber welchen Reichtum verpassen diese Menschen im Zeitalter der digitalen Wirtschaft und Globalisierung? Und die Gier wird die Welt bestimmt nicht zusammenhalten, die Gier nach Geld/Geltung und Macht. Das Gegenteil könnte eintreten. Ein „Vergehen“ ohne neues „Werden“, wer möchte das?

Auch ich sehe das so: Lichtwege, Wege zur Weiterentwicklung und Reifung, sollen unsere Nachfahren, an welche die „Fackel“ weitergegeben wird, ebenso wie wir gehen können.

Was mich an der Lyrik, an Versen fasziniert? In Kürze und komprimiert sind tausende Geschichten erzählt. Verse bündeln Gedanken, Verse bringen Ideen.


Herzliche Grüße
und die besten Wünsche zu Weihnachten
und zum neuen Jahr



Regine Kress-Fricke


Dein Buch ist zauberhaft, wunderschön, die Verse mit Tiefe, Ernst, Freude und Aufbruch. Der so offene Blick in die Gefühlswelt der Autorin
fasziniert und hält gefangen, da wir alle ähnliche Stationen und Gefühle
im Leben erfahren / durchmachen. Und....die Bilder, Metaphern, die Du
dafür findest, berühren und malen sich vers- und bildmächtig ins Innere.
Dort bildet sich ein Echo zu den zarten, menschlichen Empfindungen
der Autorin, der lieben Thea.
Auffallend ist das Zusammenspiel von Vers und Bildern. Da haben zwei
ganz ähnliche Welten / Seelen zusammengefunden. Das klingt durchgehend nach einem Duett. Sehr intensive, wunderbare Bilder, die in ihrer Eigenart und ihrem inneren Leuchten förmlich aus den Seiten springen.

Auch hat mir das Vorwort von Petra Taubert ausnehmend gut gefallen.
Sehr feinfühlig und sprachbewusst. Grüße sie und die Winklers herzlich
von mir. Ich erinnere mich bestens und gerne an sie.



Annegret Winkel-Schmelz                                           

                                                                                                     Halle, den 03. 01. 2021 

 

Liebe Thea,

 

noch schreibt sich dieses neue 2021 ungewohnt, geht nicht so schnell von der Hand. Jedoch hoffe ich, meine Worte und Sätze zu Deinem außergewöhnlichen Werk „Gleich hinterm Deich“ gut zu finden.

Du hast mit Walter Deinen Heimatort ergründet. Doch ist es kein reines Heimatbuch geworden.

Was mir beim Lesen besonders gefiel, waren Deine eingefügten Gedichte und die Kapitelüberschriften durch jeweils ein Schulschreiberkind. Die Porträts der Menschen lese ich mit Herzenswärme und dokumentarisch-literarischer Professionalität. Inhaltlich ist mir aufgefallen, dass Du/Ihr selbst teilweise aus allen Wolken fallt, was es zu entdecken gilt und fast beschämt feststellt: Das haben wir nicht gewusst.

Bei den Frauenbiografien gefällt mir die historische Tiefe, die leise Annäherung und der Respekt gegenüber den zu interviewenden Menschen. Wenn ich die DDR-Biografien lese, merke ich: Fast alle haben studiert, sind voll arbeiten gegangen – egal, auch wenn sie fünf Kinder haben.

 

Kannte ich von Niegripp bisher nur das Cafe „Freundschaft, die Hauptstraße 8 (Dein Zuhause) und die Bushaltestelle, bin ich als heimlicher Niegripp-Fan doch umfassender informiert. Das Buch hinterlässt in mir den Eindruck einer Ortschaft, die, geprägt durch das aktive Miteinander fast jeder Profession, sich ständig weiter entwickelt und dem Dorfleben ein veränderbares Gesicht gibt.

Gerade mir als ausgesprochenen Stadtmenschen konnte ein Lebensentwurf vorgelegt werden, der lebendig, wechselbar und liebevoll beschrieben wird. Kathrin Wöhlers Porträts unterscheiden sich von Deinem Herangehen, brechen dieses jedoch nicht, sondern bereichern. Rolf Winklers Fotos sind eine, wieder einmal, Meisterleistung. Dass Petra Taubert ihren Teil einfügen kann, freut mich für sie.

Und Du selbst bleibst Deinem Schreibstil treu: Ein echter Iser, ein Buch, dass ich in drei Tagen gelesen hatte. Weil ich erstens Biografien am liebsten lese, die Du vor mir ausbreitest. Für mich liest sich das spannender als jeder Krimi, weil jedes Leben einzigartig ist. Wie Dein Credo es verspricht auf Seite 273, machst Du Dich auf die Suche nach Deinen unmittelbaren Mitmenschen und fügst Dich selbst unaufdringlich stets mit ein. So entsteht ein Wir-Gefühl mit den Dorfbewohnern.

 

Ich hoffe, das Buch findet auch weit über Niegripp hinaus seine Leser und Leserinnen. Mich hat es ergriffen und mitgenommen in eine andere Welt – weg von der Saale hin zur Elbe.

Du willst wissen, was Niegripp „im Innersten zusammenhält“. Das ist Dir voll gut gelungen. Es war riesig viel Arbeit, das kann ich nachfühlen.

Die Gestaltung des Layouts ist wunderschön, farbenfroh und macht das Lesen leicht. Auf fast jeder Seite gibt es Neues zu entdecken.

Dein Buch hat mich begeistert und ich kann Petra Taubert gut verstehen, dass sie sich bei Dir, in Niegripp, wohl fühlt und dort ihr Kleinod entdeckt hat. (Was für uns Motzen ist, ist für sie Niegripp.) Du selbst bist eine der wichtigsten Menschen in ihrem Leben. Sie hat mir das Buch geschenkt. Eine prima Idee. Ich gebe es weiter zum Borgen.

 

Wir, Torsten und ich, wünschen Euch ein frohes, gesundes neues Jahr.

Seid beide herzlich umarmt und gegrüßt von uns beiden.



Regine Kress-Fricke


Das ist ja klasse, was Du, was Ihr, mit "Gleich hinterm Deich" auf die Beine
gestellt habt. Das ist ein regionales Geschichtsbuch...und das, was Leben
ausmacht und in der "großen" Geschichte fast nie auftaucht. Die einzelnen
Lebenswege gehen unter die Haut und überall spürt man/frau Deine liebevolle
Begleitung. Ich habe das Buch mit Neugierde und wachsender
Bewunderung gelesen. Ein großartiger Wurf. Aus diesen unzähligen "kleinen"
Leben, Wünschen, Sehnsüchten setzt sich ein Staat zusammen. Ja, wir "kleinen"
Leben bilden den Staat. Nur vergessen es gelegentlich die sogenannten "hohen Tiere".

Als ich u.a. vom Konsum-Einkauf las, fiel mir ein, dass ich in Norddeutschland
ebenfalls mit Konsum-Geschäften (Genossenschafts-Geschäften) aufgewachsen bin.
Das waren die günstigen, verlässlichen Lebensmittelgeschäfte.

Bei der heutigen "Kettenbildung" von Lebensmittelgeschäften u.a. ist es hoch
aktuell, wieder Genossenschaftsgeschäfte zu gründen, sonst landen wir Normalbürger
endgültig beim privatisierten amerikanischen Großgeldhaber-System (in vielen Fällen auch "Bankrottsystem"). Dazu empfehle ich dringend das Buch des ehemaligen US-Präsident-
schaftskandidaten BERNIE SANDERS "Unsere Revolution". Da die BRD jeweils mit kleiner Verzögerungen die amerikanischen "Errungenschaften" übernimmt, ist es ratsam, zu wissen, wohin die Reise geht.


PETRA TAUBERT

Mutterland


Ungeschönt wunderschön zeichnet der dritte Teil zu „Kein Gott in der Nähe“, Dorothea Isers „Mutterland“, das Bild ihrer hoch betagten Mutter mit zauberhaften und schweren Rückblenden in ihr Leben. Susanne Lippmann lässt uns teilhaben an ihrer Beziehung mit ihrem Mann Alex, den sie 1964 geheiratet hat. Kennengelernt haben sich die beiden in Weimar, wo sonst.

Gesellschaftliches, auch brandaktuelles bleibt nicht außen vor. Diskussionen und Gedankenmodelle in einer Welt, die aus den Fugen scheint und doch wunderschön ist. Sie beleuchtet ihre Arbeit als Erzieherin im Jugendwerkhof zu DDR- Zeiten und den Umgang der jetzigen sich freiheitlich demokratisch nennenden Ordnung im Schwarzrotgold- Deutschland mit diesem Thema.

Erziehungsfragen werden gestellt und Erziehung wird in Frage gestellt. In einer gnadenlos ehrlichen Auseinandersetzung mit den Themen Altern und Tod kann es dem Leser die Angst vor beidem nehmen oder zu eigener Auseinandersetzung damit anregen.

Vielleicht könnte es Fesseln sprengen, die hindern, den Tanz auf dem Seil zu wagen, die Gratwanderung wirklich gelebten Lebens. Das Buch lädt ein, teilzuhaben, aber es ist kein Spaziergang, auch wenn herrlich beschriebene Spaziergänge oder – fahrten mit dem Tandem ebenfalls erzählt werden.

Der dritte Band endet mit dem Loslassen in Form weißer Luftballons, ein wichtiger Schlusspunkt im Trauerprozess. Loslassen können gehört auch zur Liebe, selbst wenn sie mit allen Wellenbewegungen, die zu einer gelebten Beziehung gehören, so lange besteht wie die von Alex und Susanne, ein Paar dessen über Jahrzehnte gewachsene Liebe in der Ehe nicht gestorben ist, Liebe die ihre Kinder in ihr eigenes Leben ziehen lässt und ihnen trotzdem ein Nest bietet, was für ein Glück.




RENATE SATTLER

Liebe Glücksfrau,

 

Soeben habe ich "Mutterland" ausgelesen, und es hat mich bis zum letzten Wort gefesselt. Ich bin Susanne Lippmann in schöne Stunden, z. B. auf den Weinberg von Hohenwarthe wie auf den schwierigen Linien der Beziehungen und an das Bett der Mutter gefolgt. Habe Anteil an früheren Konflikten gehnommen, wenn es um Erziehungskonzepte ging wie um heutige: das Vereinsamen im Alter und den Zerfall der Familien.

Bekannte Autoren sind mir begegnet. Herr Reis (Siebert) ist Reinhard und mir vor Jahren über den Weg gelaufen, als wir in Gommern ein Lager suchten. Da hat er uns das Projekt des Buches vorgestellt. Nur komme ich nicht auf den Namen des Malers.... Interessant war für mich die Reflektion der Zeit am Jugendwerkhof; das Betreten einer vergangenen wie verschlossenen Welt. An den Film „Sabine Wulf“ erinnere ich mich noch gut. Das Buch wurde mir zum Poetenseminar 1978 geschenkt, als ich zum ersten Mal teilgenommen hatte. Das war auch meine erste Begegnung mit Heinz Kruschel, den ich später in Schreibwerkstätten und Lesungen erlebte.

Ein wichtiges Buch in einer älter werdenden Gesellschaft und in einer, die mehr Schmetterlinge gegen die Kälte braucht.

Für die Romantrilogie wünsche ich Dir viele Leser, über die Grenzen unseres Bundeslandes hinaus und dass Du noch nicht alles gesagt hast, sondern weitere Bücher von Dir zu erwarten sind.


 

Herzliche Grüße

Renate



PETER HOFFMANN

Liebe Dorothea,


wenn ich mich auf ein neues Buch einlasse, dann geht dem immer ein schwer zu beschreibender Druck voraus. Vielleicht liegt das daran, dass ich mich allzu sehr – wenn es denn ein gutes Buch ist – auf die Figuren und ihre Befindlichkeiten einlasse.


„Kein Gott in der Nähe“ zähle ich dazu. Mit der mir eigenen Skepsis habe ich mir zu Anfang die Frage gestellt, ob es für mich ein Lesevergnügen werden wird, mich auf das Leben und die Befindlichkeiten einer Schreibenden einzulassen. So viele Leute schreiben über sich selbst und meinen, dass ihr eigenes Leben und Erleben so wichtig ist, dass es anderen unbedingt mitgeteilt werden muss.


Doch schon bald durfte ich erkennen, dass es sich hier ganz anders verhält. Immer wieder war mir, als würde ich Teile von mir selbst in diesem Buch finden. Freuden und Sorgen begegnete ich wie alten Bekannten und ich war nur allzu gern bereit, mich bei der Hand nehmen und durch dieses spannende und ereignisreiche Stück Leben führen zu lassen.

Diese Aha-Erlebnisse bereiteten mir Lesevergnügen, wühlten mich aber auch auf.


Eingebettet in ein Umfeld, das ich bisher nur vom Hörensagen kannte, nämlich die Pflege eines mit den Verlusten des Alters geschlagenen Menschen, entblätterst du eine Welt, die weit über das von dir in Sätze gefasste hinausgeht. Du bezeichnest das selbst als „den Atem eines Buches“. Vieles, was du schilderst, ist von Unvollkommenheit und Verletzlichkeit der handelnden Menschen geprägt und von den Spuren, die Verletzungen hinterlassen. Eigentlich ist es eine weitgehend kaputte Welt, doch zugleich spürt man, dass dieser Zustand etwas von Normalität hat, das Leben in seiner Vielgestaltigkeit an sich beschreibt.


Wie kleine Perlen, jede für sich individuell gewachsen und gereift, mit unverkennbaren Eigenheiten versehen, reihen sich aktuelle Geschehnisse und Reflexionen zu einer Kette, einem Ganzen, aneinander.


Ich habe mir im Verlaufe des Lesens viele Notizen gemacht. Dies geschah mit dem Ziel, eine einigermaßen diesem Buch gerecht werdende Besprechung zu verfassen. Doch jetzt, am Schluss der Lektüre angelangt, muss ich erkennen, dass es fast unüberschaubar viele Anmerkungen von Textstellen geworden sind, die für mich zu Entdeckungen wurden und die ich mit meinen Anmerkungen auch für mich selbst noch einmal abrufbar machen, weil bewahren, wollte.


Schon der Einstieg in die Handlung (S. 5) beginnt für mich mit einem Gleichnis: Was können wir Menschlein mit all unserem oft überheblichen Tun und Wollen gegen den Fluss der Zeit und des Lebens ausrichten? Da ist die Gelassenheit der Mutter (S. 7) so etwas wie ein Ruhepunkt inmitten all dieser vielgestaltigen, aber dennoch sinnlos anmutenden Geschäftigkeit. Dieser Eindruck wird verstärkt (S. 11), als neben dem Katastrophenszenario im Hier und Jetzt die Dimension der Weltpolitik ins Spiel kommt.


Angesichts dieser allgegenwärtigen Katastrophenstimmung erscheint mir das Zitat von Konstantin Wecker:

„Wo alle zweifeln, wag zu glauben, wo alle glauben, glaube nicht“, (S. 12) wie ein Türöffner für Kommendes.


Tief in mein Gemüt eingegraben hat sich die Schilderung, wie die Ich-Erzählerin ihrer Mutter den Rücken wäscht. Da ist von Erntewagen die Rede, von zentnerschweren Kartoffelsäcken, Kartoffelfeuern und dem Geruch nach warmer Erde. Die Worte: „Du armer Rücken, du, dachte ich…“, schaffen eine Nähe, die über allem steht und auch nicht durch das profane Telefonklingeln unterbrochen werden kann (S. 18).


Der Satz: „Manchmal ist das Leben schlimmer“ (S.24) erdet, nimmt Illusionen. Nicht zufällig für mich taucht wenige Zeilen später der Begriff „Dichtergarten“ auf. Eine andere Wirklichkeit wird ins Spiel gebracht, um bald darauf von den Worten der Mutter beim Betrachten eines Albums wieder aus dem Fokus genommen zu werden. „Guck mal, da ist der Papa Soldat“ und „Meine arme Mutter…“ in Bezug auf die Großmutter, sind von mir jetzt willkürlich ausgewählte Satzfetzen, mit denen du Begriffe wie Geschichte und Schicksal in Spiel bringst. Und die Bemerkung: „Guck mal, du hast ihre Nase. Und die gleiche Mundpartie. Du bist schon älter, als meine Mutter geworden ist. Guck mal!“, (S.25) ist voller gegensätzlicher Doppeldeutigkeit. Da schwingt einerseits die Allmacht eines vorgezeichneten Schicksals mit, aber andererseits auch die Möglichkeit, dass die Verhältnisse und ganz persönliche Dinge ein Abweichen möglich machen.


Gute Sätze sind wie Welten. Fast könnte man in Versuchung kommen, ein Buch über dein Buch zu schreiben. Aber so etwas braucht die Welt nicht. Jeder Leser, so er denn mündig ist und lesen kann, wird seine eigenen Erfahrungen zu deinen Gedanken und Formulierungen in Beziehung setzen.


So hast du zum Beispiel mit der Waschszene, die ja auch noch eine weitergehende und tiefere Bedeutung haben kann, wenn man es so lesen will, eine Erinnerung in mir wachgestoßen: Als ich ein kleiner Junge war, rief mich mein Großvater des Öfteren in seine Küche. Er stützte sich mit freiem Oberkörper vornüber schwer auf einen Stuhl. Neben sich hatte er ein Rohrgestell mit einer weiß emaillierten Waschschüssel sowie Wasser und Seife. Auf seinem Rücken gab es links und rechts zwei tiefe Narben. Die stammten aus der Zeit des Ersten Weltkriegs, als mein Großvater, von den Entbehrungen dieser Zeit geschwächt, an einer Rippenfellentzündung erkrankte und nur durch eine Operation gerettet werden konnte. Diese Erinnerung  und sogar der Geruch der Kernseife, wenn ich damit über den Rücken des alten Mannes rieb, waren beim Lesen plötzlich wieder da. Und natürlich auch vieles von dem, was dieser von mir geliebte Mensch in solchen vertrauten Momenten von seinem Leben und dem Lauf der Welt erzählte.


Als ein Faden, der die Handlung voran bringt, zieht sich die Erkrankung der Mutter durch das gesamte Buch. Das ist eine Geschichte voller Liebe, Rücksicht und Aufopferung. Dabei dringst du äußerst sensibel in die Materie ein. Der Leser lernt zu verstehen, dass es selbst in einer solch schwierigen Situation eine Art Dialektik von Gewinn und Verlust gibt. Natürlich verliert die Mutter an geistiger Substanz, womit auch ein Verfall des Körpers einhergeht. Aber das Verbliebene kann zugleich Dinge ans Licht bringen, die ansonsten vielleicht in der Flut des Alltags unbeachtet geblieben wären. Immer wieder musste ich beim Lesen denken: was für ein wertvoller Mensch!


Und was mir noch im Zusammenhang mit der Krankheit der Mutter aufgefallen ist: Du lässt den Leser verstehen, dass solch eine Entwicklung nach einer eigenen Logik verläuft, ein Begreifen einer derartigen Situation mit dem gewohnten Herangehen oft nicht möglich ist. Besonders gelungen in diesem Zusammenhang, weil da neben aller Tragik auch ein Stück Komik mitschwingt, finde ich die Passage, als es um die von der Mutter gestrickten Kindersachen geht. Der Ausspruch: „Was ich nie verstanden habe, dass ihr die schafwollnen Pullover tragen konntet. Die kratzen doch. Meine Haut verträgt das nicht.“


Um noch einmal auf den Begriff der „kaputten Welt“ zurückzukommen: Das Kapitel „Selbstversuche“ hat mich ganz besonders berührt. Hier geht es auch um den Umgang mit der verschwundenen DDR und Gerechtigkeit …



Liebe Dorothea,


nun ist es an der Zeit, meinen Brief an dich fortzusetzen. Es geht, wie schon erwähnt, um ein Buch, durch das man sich nicht einfach so hindurch liest. Ich suchte die Seiten und Zeilen nach Botschaften in Sätzen und Teilsätzen ab, die in mir etwas auslösten.

Die Formulierung z.B.: „… ein Schenkender, dessen Gabe niemand will“, ist für mich eine Aussage voller Spannung und Dramatik. Dahinter verbergen sich Lebensgeschichten, Schick-sale, gescheiterte Existenzen. In meinem Kopfkino hast du damit eine Flut von Bildern und Vorgängen ausgelöst, die von der Kindheit, wenn ich auf einem Fußbänkchen saß und den Gesprächen meines Großvaters mit anderen vom Leben gezeichneten Leuten lauschte, bis in das eigene Hier und Jetzt reichen. Wir alle fürchten uns davor, nicht verstanden zu werden, allein zu sein, obwohl vieles, was wir tun oder lassen, letztendlich ja doch darauf hinausläuft. Um an dieser Stelle etwas vorwegzugreifen: Besonders drastisch greifst du diese Gedanken bei Benno Schmidt auf, an jener Stelle zum Beispiel, als dessen Ehefrau und engste Lebens-begleiterin über Jahrzehnte, die Symbolik des anatomisch nicht korrekt gezeichneten Adler-flügels nicht erkennt und ihrem Mann schlichtweg einen Fehler zugesteht. Kann man die Tra-gik der Einsamkeit und des Nichtverstanden-Werdens mit derart leisen Worten eindringlicher an den Leser bringen? „Ich habe uns zerschwiegen“, ist für mich eine ähnlich schwerwiegende Formulierung.


Bitte habe Verständnis dafür, dass ich nicht näher auf die Assoziationen zu Nietzsche eingehe. Jürgen Jankofsky hat das in seiner Laudatio wunderbar getan.

Natürlich habe ich mich auch etwas mit Nietzsches Leben beschäftigt, war in Röcken usw., aber du bist da sicher tiefer eingedrungen. Vielleicht aber so viel: Das Symbol des Wassers zieht sich durch das gesamte Buch (Hochwasser, Waschungen, Lebensfluss usw.) und du zi-tierst nicht zufällig in diesem Zusammenhang.


Ruhepol Alex ist in deinem Buch mit all seinen Fragezeichen und Eigenheiten übrigens be-deutungsschwerer und lebendiger als der über allem stehende Hajo. Wenn Alex sagt: „Du musst nicht für andere wichtig sein“ , dann trifft er zielgenau ins Schwarze. Auch ich selbst habe lange gebraucht, bis ich wirklich verinnerlichte, dass die Welt ohne mich auskommen kann, abgesehen von einigen mir nahen Menschen mich niemand wirklich braucht. Das mag brutal klingen, ist aber nüchterne Realität. Die Überheblichkeit zu glauben, dass man anderen etwas zu sagen hat, das diese noch nicht kennen oder wissen, ist immer wieder auch uns Schriftstellern eigen. Aber nur wenigen von uns gelingt es wirklich, etwas Wesentliches als Botschaft zu formulieren. Ob man damit dann etwas ändern kann, steht auf einem anderen Blatt geschrieben.


Die Welt werden wir nicht retten können. Aber vielleicht Brücken bauen, Gedanken und Ge-fühle auslösen und Lesegenuss schaffen. Mir bereitet in Büchern das Entdecken Vergnügen. Wenn du in deinem z.B. formulierst. „Du kleine Mamma“, dann ist dies gewiss kein Schreib-fehler. Wer diese Stelle erkennt, der wird die besondere Innigkeit, die in das ursprüngliche Miteinander von Mutter und Kind greifende Dimension, nachvollziehen. Ganz am Schluss heißt es dann „Kleine Mama“. Trotz aller weiter bestehender Nähe spiegelt das für mich auch den Prozess des Loslassens. Ein einziger Buchstabe, dessen Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein die Tür zu bekannten und auch unbekannten Räumen aufzustoßen vermag.


Und wenn du über die Liebe schreibst: „Sie ist geworden, wie wir sind“, dann muss man als Leser einfach einhaken und erneut eine der eben erwähnten Türen aufstoßen. Ähnlich verhält es sich mit dem Satz: „Du läufst … von zu Hause weg, suchst, was du selber hast, aber nir-gend woanders findest.“ Lebenserkenntnis, in Sätzen komprimiert, und dennoch fast banal dahingesagt. 


„Wir waren ideologisch durchtränkt und dachten, wir denken“ – mit dieser Feststellung bringst du vieles aus dem Leben des ehemaligen DDR-Bürgers schlechthin auf den Punkt. Und die Formulierung „Wer sich selbst nicht glaubt, lügt immer“, ist für mich in diesem Kontext die logische Schlussfolgerung: Ehrlichkeit und Wahrheit müssen von innen kommen, nur so kann es etwas werden, z.B. auch mit einer Idee.


An früherer Stelle hattest du dich im Buch zum Beschreiben von Liebesszenen geäußert. Die Schilderung des erotischen Traumes hat für mich etwas mit der eben erwähnten Ehrlichkeit zu tun. Die mit dem, was sie verrät, durchaus auch an scheinbare Grenzen gehen kann und soll. Das, was wir oftmals hüten wie ein unheimliches Geheimnis, ist doch letztendlich meist nichts anderes als Normalität.


„Guter Sex, sagte Siebert, Grünes Holz in Glut und Asche lecken. Sein Lachen donnerte los“, ist dagegen eine Mischung zwischen derbem Männerwitz und  - im Kontext gesehen - Zeugnis vom Zustand  einer dem Verderben und dem Kommerz ausgelieferten Kulturwirklichkeit. Du wirfst ein Licht auf jene, die nun das Sagen an sich gerissen haben und auch Einfluss auf den Kulturbetrieb nehmen. Dass das Angedeutete auf Dauer nicht gut gehen kann, deutest du in einem sich zum Ende der Handlung hin immer mehr verdichtenden In-Frage-stellen von gesellschaftlichen und eigentlich festgefügten Gegebenheiten an.


Das Finale der Handlung, in deren Mittelpunkt ja die Mutter steht, läutest du auf Seite 284 mit dem Beginn des Sterbeprozesses ein. Dabei kommen die damit verbundenen Dinge unspekta-kulär im Gespräch zwischen Mutter und Ärztin daher. Es geht scheinbar nur um versponnene Wolle und einen angedeuteten und lange zurückliegenden Unfall der Tochter. In Wahrheit aber sind die erhoffte Absolution für eine über Jahrzehnte getragene Schuld und gleichzeitig die Anerkennung einer Lebensleistung durch eine Autorität zentrale Punkte des Dialogs, der mit den Worten endet: „Hätte ich nicht gedacht", sagte die Ärztin bewundernd. Das wirkte auf Mutter wie Medizin.“


Die Worte „… nur nicht ins Krankenhaus“, zeugen von einem letzten Aufbäumen, Verdrängen. Aber später ist dann zu lesen: „Als sie den Tod spürte, schwieg sie.“ Dieser Satz sitzt, lässt erschauern!


Der Schwenk zur Beerdigung von Edelgard Böhmer eröffnet den Blick in eine andere  Dimension: Was bleibt von unserem Tun für die Gesellschaft, wenn z.B. in diesem Falle der Kulturrat eine Frau schickt, die die Verstorbene nicht einmal kannte?


Das Wirkliche und Wertvolle bewegt sich im Kreise der Familie, des engsten Freundeskreises und vielleicht noch ganz weniger Leute (hier ist es der dichtende Bestatter).


Und es gibt Dinge, die wir Menschen trotz all unserer Verschiedenheit gemein haben. Dazu gehört die Vergänglichkeit unseres Seins: „Jeder trug seinen eigenen Tod in sich, verkleidet als Schatten.“ Ich spüre in diesem Satz eine Ambivalenz: Trotz aller Härte, Endgültigkeit und der Gewissheit, diesen Weg eines Tages allein auf sich gestellt gehen zu müssen, schwingt da doch eine Botschaft mit. Die besagt, dass uns etwas verbindet, trotz aller Unterschiede, kleinlichen Feindschaften, Eitelkeiten usw. Und das allein wäre schon Grund genug, manches in unserem Miteinander in Frage zu stellen, sich neu zu besinnen.


Zurück zur Mutter: Die Dramatik der Handlung spitzt sich zu, als sie die normalen Nachthemden ablehnt und nach einem Seidenhemd verlangt. Mit der Vorbereitung dieser Frau auf ihr eigenes Gehen deutest du immer wieder auch das Verschwinden ihrer Welt an

und „… das Sprießen einer neuen Welt“. Und diese Welt hat nichts mehr mit dem Leben der Todgeweihten zu tun, zu dem Begriffe wie Handarbeiten, Geburtstagstorten, Rindermastvertrag, Spinnrad, Oderhaff, Kühehüten und andere gehörten.


„Das Leben zwingt den Menschen zu allerlei unfreiwilligen Handlungen.“ „Lieber täuschen wir uns. Die vollkommene Täuschung ist wahrhafter als die banale Wahrheit.“ „Die Politiker reden und die Menschen sterben.“ Es geht weiter, aber anders. Oder bleibt doch alles, wie es ist?


Ich möchte diese Betrachtung zu deinem Buch mit einem Zitat von dir beenden: „Das Leben war ein Fluss. Es suchte sich seine Bahnen und strömte einem Ziel entgegen. Manchmal überschwemmte es weite Flächen, manchmal staute es sich. Wohin wir treiben, wissen wir nicht.“

Danke für dieses Leseerlebnis!


((Abschließend noch einige formale Anmerkungen: Der Druck ist exzellent. An die leicht glänzende Druckfarbe musste ich mich erst gewöhnen, kam dann aber gut zurecht. Auch das Papier habe ich trotz seiner Helligkeit als angenehm empfunden. Die dezenten Serifen im Schriftbild förderten den Lesefluss. Die Schriftart im Nachspann setzt einen gekonnten Kontrast.

Manchmal hätte ich ein Komma anders gesetzt oder eine Wiederholung  vermieden (z.B. S. 11 „gegen das Tor“ oder S. 175 „war“ und „wollten“). Aber das ist Klugscheißerei, sehe ich doch bei mir selber, dass man in Nachhinein immer noch etwas finden kann.))


Liebe Dorothea, du hast mir einen wirklichen Lesegenuss bereitet. Ich empfinde es als Glück, dass wir miteinander in Kontakt gekommen sind!


Ganz herzlich!


Peter


BERND WOLFF

Liebe Thea,


nun habe ich Deine schöne Hommage auf die Mütter gelesen, und die liebevolle Gestaltung der Mutter in ihrer burschikosen, mitunter etwas ruppigen und doch gut gemeinten Art hat mir besonders gefallen. Bei den übrigen Figuren und ihrem Bezug auf die Protagonisten kam ich manchmal etwas durcheinander, aber das wird wohl immer bei einem vielfigurigen Ensemble sein, wenn man mit Unterbrechungen zu lesen gezwungen ist und sich erst wieder hineinfädeln muß. Deine Eigenart, besonders knappe, kurze Sätze zu formen, verleiht der Erzählweise mitunter etwas Getriebenes, das ist dort gut, wo es die Situation der Erzählerin betont. Es ist auch gelungen, wo Du beiläufig Welt hereinholst, in einer Geste, Bemerkung, in einem Gedanken. Ich gratuliere Dir und wünsche Dir viele Leser (auch wenn ich mich in diesem Wunsch wiederhole). Ich danke Dir nochmals, daß Du mich bedacht hast.

Wenn ich mich spät melden sollte, so weißt Du ja, daß einem im Alter die Zeit davonläuft; ich hatte noch einen üblen Verriß zu schreiben (für die GG), auch waren wir einige Tage im Neckarland, und jetzt ist mal unser weit weg wohnender Sohn für kurze Zeit heimgekehrt, da mußten wir auch ein Kalb schlachten. Aber ich wollte Dir doch mitteilen, daß mir die Lektüre ein Gewinn war.. danke.

liebe Grüße, auch an Walter,

von Renate und Bernd